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07. Dezember 2011
Presseartikel
Von:Höchster Kreisblatt

Kaum Verzögerung durch Grabungen

Baubeginn am Brunnenweg

Kriftel. „Wir sind noch ganz am Anfang”, sagt Dr. Robert Heiner. Und dass zu den sorgfältig beschrifteten Plastiktütchen, in denen der Frühgeschichtler die bislang 40 gefundenen Keramikscherben aufbewahrt hat, noch einige hinzukommen werden, gilt als gewiss.
Seit einer Woche machen sich die Fachleute des Vereins wissenschaftlicher Baugrund-Archäologie mit Sitz an der Universität Marburg auf dem Gelände zwischen Brunnenweg und Kapellenstraße breit. Mit Schaufeln und Spachteln wird Schicht für Schicht das Erdreich durchforstet. Nach dem ersten Eindruck, drückt sich Grabungsleiter Heiner noch etwas vage aus, stammen die Stücke aus der Latenezeit, also aus der vorrömischen Eisenzeit, 5. bis 1. Jahrhundert vor Christi Geburt. Die Stücke mit der groben Keramik ordnen die Archäologen Gefäßen zu, die die Kelten zum Kochen verwendet haben. Die Teile aus feinerer Keramik seien höchstwahrscheinlich Tischgeschirr gewesen, schätzt Dr. Heiner, der davon ausgeht, dass die Funde von einer keltischen Siedlung stammen. Der Frühgeschichtler erwartet jedoch nicht, dass die Grabungen noch Hausüberreste zum Vorschein bringen werden, dafür spreche die Bauweise der Kelten, die ihre Häuser nicht tief in den Boden gebaut hätten. Verfärbungen der Erde an einigen Stellen lassen die Forscher jedoch vermuten, dass sie noch auf Vorratsgruben stoßen.

Missverständnisse

Für den beim hessischen Amt für Denkmalpflege für diese Region zuständigen Archäologen Dr. Udo Recker ist das Gelände sowieso eine „interessante Fundstelle”, zumal in dem Gebiet der angrenzenden Reihenhäuser bereits Funde aus anderen Epochen freigelegt wurden. „Da ist noch alles drin”, ist Recker gespannt, was die Grabungen zu Tage bringen.
Doch die Archäologen haben es jetzt eilig. Bis 23. Dezember müssen sie den mittleren Teil des 12 000 Quadratmeter großen Geländes untersucht haben. Nach den Feiertagen soll es nämlich mit dem Bau des Pflegeheims los gehen. „Wir hätten gerne in aller Ruhe im Sommer gegraben”, erklärt Dr. Recker und spricht von Missverständnissen, warum die Archäologen erst kurz vor dem ersten Spatenstich mit ihrer Arbeit beginnen konnten. Zu dem von der Gemeinde geänderten Bebauungsplan „Seniorenresidenz” hatte das Landesamt für Denkmalpflege im Rahmen der Offenlage keine Stellungnahme abgegeben. „Wir haben überhaupt keinen B-Plan erhalten”, sagt Dr. Recker, der der Kommune aber kein Versäumnis unterstellen möchte. „Von uns ist der Bebauungsplan wie immer an alle Träger öffentlicher Belange verschickt worden”, versichert hingegen Kriftels Erster Beigeordneter Franz Jirasek. „Wir, die Kommune und auch der Investor, arbeiten alle gut zusammen, gemeinsam das Problem zu lösen”, so der Bezirksarchäologe aus Wiesbaden, der von einem Bürger einen Hinweis auf das Bauvorhaben bekommen hatte.
Um das enge Zeitfenster einhalten zu können, wurde gestern der Stab der Archäologen auf 15 Mitarbeiter aufgestockt. Damit Frost die Erdarbeiten nicht behindert, werden zusätzlich Zelte und Heizungen aufgestellt.
„Wenn möglich, werden wir im Freien arbeiten, nur wenn es das Wetter nicht zulässt, im Zelt”, sagt Dr. Heiner. Im ersten Bauabschnitt werden 3400 Quadratmeter untersucht und sämtliche Fundstücke im Erdreich gesichert, wo mit dem Bau des Pflegeheims begonnen werden soll. Etwa ein Drittel der Fläche werden die Archäologen unberührt lassen, weil das abschüssige Gelände dort später aufgefüllt wird. Was sich dort drunter verbirgt, wird in Ruhe gelassen.

Kein Keltenfürst

Einen Tag vor Heiligabend sollen die Arbeiten im ersten Bauabschnitt abgeschlossen sein. „Das ist zu schaffen”, ist Dr. Heiner zuversichtlich, der nicht damit rechnet, auf Sensationsfunde zu stoßen: „Wir werden hier keinen weiteren Keltenfürsten wie am Glauberg finden.” So weit man sich nicht in die Quere kommt, gehen parallel die Erdarbeiten für den Bau des Pflegeheims weiter. „Natürlich etwas langsamer als geplant”, räumt Stefan Lange, der Projektleiter des Bayreuther Unternehmens Konzeptbau ein. Nach den Feiertagen sollen die Arbeiten soweit es die Wetterlage zulässt, mit Hochdruck vorangehen. Immerhin soll das Pflegeheim im ersten Quartal 2013 fertig sein.
Die Archäologen werden auch im neuen Jahr am Brunnenweg ihre Arbeit fortsetzen und die Flächen nach historischen Schätzen untersuchen, auf denen die Eigentumswohnungen und das Gebäude für das betreute Wohnen errichtet werden.

[Höchster Kreisblatt, 07.12.2011; Text & Bild: Ulrike Kleinekoenen]